20.
Oktober 2010
ARBEITSRECHT:
FRISTLOSE KÜNDIGUNG WEGEN STROMDIEBSTAHLS
Beitrag verfasst von:Rechtsanwalt Torsten Sonneborn
Als Fachanwalt für
Arbeitsrecht habe ich in den letzten Monaten
einen spürbaren Rückgang von betriebsbedingten
Kündigungen feststellen können. Dafür
versuchen die Arbeitgeber nun vermehrt, sich von unliebsamen
Arbeitnehmern durch den Ausspruch verhaltensbedingter
Kündigungen zu trennen. Wenn es an der Arbeitsleistung des
Mitarbeiters nichts auszusetzen gibt, suchen manche
Arbeitgeber
händeringend nach Vermögensdelikten, die
der Arbeitnehmer zu ihren Lasten begangen haben könnte. Ein
kleiner Fehler in der Spesenabrechnung wird dann oft schon zum Anlass
für eine Kündigung genommen. Die
finanziellen Beweggründe des
Arbeitgebers liegen klar auf der Hand: Er will nicht diejenige
Abfindung zahlen,
die im Falle der Offenbarung der tatsächlichen
Kündigungsmotive fällig würde. Mit einem
derartigen Fall hatte sich nun wohl auch das Arbeitsgericht Oberhausen
zu
beschäftigen: Einem Arbeitnehmer wurden allen Ernstes
gekündigt, weil er ohne entsprechende Erlaubnis sein
Mobiltelefon an einer verdeckten Stelle des Betriebes aufgeladen hatte.
Durch
diesen Stromdiebstahl erlitt der Arbeitgeber einen finanzielle Schaden
von 0,015 EUR.
Das Arbeitsgericht Oberhausen musste diesen Rechtsstreit, der überregional für Aufsehen sorgte, nicht entscheiden, weil sich der Arbeitgeber im Lauf des Verfahrens dazu entschloss, die Kündigung zurückzunehmen. Daraufhin erklärte der klagende Arbeitnehmer den Rechtsstreit für erledigt. Die Entschluss des Arbeitgebers, es nicht auf eine Entscheidung des Rechtsstreits ankommen zu lassen, war sicherlich weise, denn aller Voraussicht nach wäre das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Abmahnung als milderes Saktionsmittel ausgereicht hätte, um dem Arbeitnehmer die Unrechtmäßigkeit seines Verhaltens vor Augen zu führen.
Zwar ist ein zum Nachteil des Arbeitgebers begangenes Vermögensdelikt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich ein Grund, der für eine außerordentliche Kündigung herangezogen werden kann, wobei die Höhe des erlittenenen Schadens zunächst keine Rolle spielt. Allerdings muss ein Gericht die Umstände des konkreten Einzelfalls immer umfassend würdigen. Ein Arbeitsverhältnis, das jahrzehntelang beanstandungsfrei verlaufen ist, kann in der Regel nicht fristlos gekündigt werden, nur weil der Arbeitnehmer einen Pfennigartikel gestohlen hat. Grundsätzlich gehen die Gericht zunehmend davon aus, dass ein Arbeitgeber im Falle des Diebstahls geringwertiger Sachen zunächst zum Ausspruch einer Abmahnung verpflichtet ist und erst im Wiederholungfall mit einer (fristlosen) Kündigung reagieren darf. Dies dem gesetzlichen Leitbild, denn in § 314 Absatz 2 BGB ist im Zuge der Schuldrechtsreform für Dauerschuldverhältnisse das Erfordernis einer erfolglosen Abmahnung vor jeder Kündigung aus wichtigem Grund festgeschrieben worden. Das Kündigungsschutzrecht wird vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht. Eine Abmahnung kommt grundsätzlich dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer selbst die Störung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft beheben kann und die Abmahnung geeignet ist, die vertragsgerechte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu bewirken. Dass im Einzelfall die Abmahnung nicht das ausreichende Mittel zur Wahrung der Interessen des Arbeitgebers sein kann und dass es Ausnahmen gibt, in denen wegen der Art und der Auswirkung der Vertragsverletzung das Erfordernis der Abmahnung entfällt, zum Beispiel bei ausgesprochen schwerwiegenden Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers in einer Vertrauensposition, bedeutet noch lange nicht, dass bei vertrauensbelastenden Verhaltensweisen des Arbeitnehmers von vornherein eine Abmahnung für entbehrlich gehalten werden kann. Instruktiv zum Erfordernis einer Abmahnung ist die ausführliche Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts Hamburg (Urteil vom 02.10.2000 - 21 Ca 233/00). Zutreffend weist das Arbeitsgericht darauf hin, dass die Aufrechterhaltung von belasteten und gestörten Beziehungen im Einzelfall produktiver sein kann als ihr Abbruch. In der Entscheidung heißt es hierzu wörtlich: "Vertrauen ist kein Feststoff, der entweder heil dasteht oder zerbrochen ist. Vertrauen ist eine Haltung, die sich von konkreten Schritten nährt. Besonnene Arbeitgeber wissen, dass sich Vertrauen entwickeln kann und wieder herstellbar ist."
Arbeitsgericht Oberhausen, Aktenzeichen: 4 Ca 1228/09
Das Arbeitsgericht Oberhausen musste diesen Rechtsstreit, der überregional für Aufsehen sorgte, nicht entscheiden, weil sich der Arbeitgeber im Lauf des Verfahrens dazu entschloss, die Kündigung zurückzunehmen. Daraufhin erklärte der klagende Arbeitnehmer den Rechtsstreit für erledigt. Die Entschluss des Arbeitgebers, es nicht auf eine Entscheidung des Rechtsstreits ankommen zu lassen, war sicherlich weise, denn aller Voraussicht nach wäre das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Abmahnung als milderes Saktionsmittel ausgereicht hätte, um dem Arbeitnehmer die Unrechtmäßigkeit seines Verhaltens vor Augen zu führen.
Zwar ist ein zum Nachteil des Arbeitgebers begangenes Vermögensdelikt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich ein Grund, der für eine außerordentliche Kündigung herangezogen werden kann, wobei die Höhe des erlittenenen Schadens zunächst keine Rolle spielt. Allerdings muss ein Gericht die Umstände des konkreten Einzelfalls immer umfassend würdigen. Ein Arbeitsverhältnis, das jahrzehntelang beanstandungsfrei verlaufen ist, kann in der Regel nicht fristlos gekündigt werden, nur weil der Arbeitnehmer einen Pfennigartikel gestohlen hat. Grundsätzlich gehen die Gericht zunehmend davon aus, dass ein Arbeitgeber im Falle des Diebstahls geringwertiger Sachen zunächst zum Ausspruch einer Abmahnung verpflichtet ist und erst im Wiederholungfall mit einer (fristlosen) Kündigung reagieren darf. Dies dem gesetzlichen Leitbild, denn in § 314 Absatz 2 BGB ist im Zuge der Schuldrechtsreform für Dauerschuldverhältnisse das Erfordernis einer erfolglosen Abmahnung vor jeder Kündigung aus wichtigem Grund festgeschrieben worden. Das Kündigungsschutzrecht wird vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beherrscht. Eine Abmahnung kommt grundsätzlich dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer selbst die Störung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft beheben kann und die Abmahnung geeignet ist, die vertragsgerechte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu bewirken. Dass im Einzelfall die Abmahnung nicht das ausreichende Mittel zur Wahrung der Interessen des Arbeitgebers sein kann und dass es Ausnahmen gibt, in denen wegen der Art und der Auswirkung der Vertragsverletzung das Erfordernis der Abmahnung entfällt, zum Beispiel bei ausgesprochen schwerwiegenden Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers in einer Vertrauensposition, bedeutet noch lange nicht, dass bei vertrauensbelastenden Verhaltensweisen des Arbeitnehmers von vornherein eine Abmahnung für entbehrlich gehalten werden kann. Instruktiv zum Erfordernis einer Abmahnung ist die ausführliche Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts Hamburg (Urteil vom 02.10.2000 - 21 Ca 233/00). Zutreffend weist das Arbeitsgericht darauf hin, dass die Aufrechterhaltung von belasteten und gestörten Beziehungen im Einzelfall produktiver sein kann als ihr Abbruch. In der Entscheidung heißt es hierzu wörtlich: "Vertrauen ist kein Feststoff, der entweder heil dasteht oder zerbrochen ist. Vertrauen ist eine Haltung, die sich von konkreten Schritten nährt. Besonnene Arbeitgeber wissen, dass sich Vertrauen entwickeln kann und wieder herstellbar ist."
Arbeitsgericht Oberhausen, Aktenzeichen: 4 Ca 1228/09